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Hinter der Front – Anna Prohaska singt Lieder über den Krieg

Anna Prohaska
© Holger Hage / DG
16.07.2014
Kaum eine Sängerin verbindet Können und Glaubwürdigkeit mit solcher Natürlichkeit wie Anna Prohaska. Die Sopranistin feiert Erfolge an bedeutenden Opernbühnen und bei großen Festivals. Dabei begeistert die 31-Jährige ihre Fangemeinde nicht zuletzt deshalb, weil sie eine gänzlich allürenfreie, moderne junge Frau ist, die mit beiden Beinen fest auf dem Boden verankert scheint. Während ihre ersten beiden Alben das Märchenhaft-Transzendente feierten und Anna Prohaska auf “Sirène” aus dem Reich der antiken Mythen an die Wasseroberfläche stieg, um dann auf “Enchanted Forest” wiederum in wechselnder Gestalt weiblicher Fabelwesen durch den Zauberwald zu flattern, will sie uns nun umso nachdrücklicher mit ihrem neuen Album auf den Boden der Tatsachen zurückholen.

Stimmen aus dem Krieg

Anna Prohaska durchmisst auf “Behind the Lines” vom Krieg verheerte Seelenlandschaften. Sie hat das Album zum Gedenken an den 100. Jahrestag des Ausbruchs des 1. Weltkriegs aufgenommen. Zuvor sammelte sie über viele Monate Balladen, Volks- und Kunstlieder zum Thema Krieg. 25 hat sie eingesungen, auf Deutsch, Englisch, Französisch und Russisch, begleitet von Eric Schneider, ihrem kongenialen Partner am Klavier. Prohaska schlägt mit ihrer Auswahl eine Brücke vom Unabhängigkeitskrieg der Niederlande (1568–1648) über den 30-jährigen Krieg und den preußischen Militarismus bis zu den beiden Weltkriegen des 20. Jahrhunderts. Eine faszinierende Geschlossenheit gewinnt das Album dadurch, dass die Lieder teils wie Kettenglieder ineinandergreifen, etwa wenn der naive Kriegsjubel aus “Die Trommel gerühret” (Beethoven/Goethe) in die unheilvolle Dämmerstunde der Volksweise “Es geht eine dunkle Wolke herein” schallt, oder wenn es zum bizarren Treffen der Mütter im Feldlager kommt (Eislers “Kriegslied eines Kindes”, Wolf/Mörike “Der Tambour”).

Vorahnungen und Fieberträume

“Ich wollte unterschiedliche Aspekte des Krieges beleuchten – die männliche Perspektive, die weibliche, die Sicht von Tätern und Opfern, den Horror, die Realitätsflucht”, erklärt Anna Prohaska. Namenlose Soldaten, Trommler, Grenadiere und Veteranen – die Sopranistin leiht ihnen ihre Stimme, artikuliert ihre bösen Vorahnungen, Fieberträume und Traumata, ihr Heimweh, ihre Todesangst. Hier direkt aus der Schützengrabenperspektive, dort aus der Etappe, immer mit ganzer Hingabe: in ergreifendem Klageton (Cavendishs “Wandring in this Place”), sanfter ironischer Brechung (Eisler/Brecht “Die Heimkehr”), ohne Scheu vor herben Missklängen (Rihm/Trakl “Untergang”) und grotesker Überzeichnung (“Kriegslied eines Kindes”).

Kämpfende Frauen

Es fehlt auf “Behind the Lines” auch an Frauenstimmen nicht. Anna Prohaska war es besonders wichtig, nicht nur die Ohnmacht der Wartenden zu zeigen, wie in Rachmaninoffs “Polyubila ya na pechal' svoyou” oder “My Luve’s in Germanie” von Colonel Thomas Traill. Es habe im Ersten Weltkrieg weibliche Soldaten gegeben, die sich als Männer verkleidet haben, erklärt Prohaska im Begleitheft. Stellvertretend für diese Kriegerinnen lässt sie Beethovens Clärchen auftreten, das sich nichts sehnlicher wünscht als “Wämslein und Hosen und Hut!”, um ihrem Liebsten in die Schlacht folgen zu können, oder Jeanne D’Arc, deren letzte Worte vor dem Flammentod Liszt nach Dumas vertont hat. “Ich wollte auch einen weiblichen Soldaten dabei haben und eine Frau zeigen, die ihr Leben für ihr Land geopfert hat, denn der Großteil des Repertoires ist dem Krieg gegenüber kritisch und entweder sarkastisch oder traurig.” Ein musikalisch und inhaltlich höchst stimulierender Beitrag zum Gedenkjahr.

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