Wilhelm Furtwängler | News | Herausragende Aufnahmen – Wilhelm Furtwänglers komplette Studioaufnahme als Vinyl-Edition

Herausragende Aufnahmen – Wilhelm Furtwänglers komplette Studioaufnahme als Vinyl-Edition

Furtwängler
© DG
Wilhelm Furtwängler gilt heute als einer der größten Dirigenten des 20. Jahrhunderts. Dabei, sagte er, sei seine Dirigentenkarriere ernsthafter Erwähnung nicht wert. In erster Linie sei er Komponist. “In Wirklichkeit war das Dirigieren das Dach, unter das ich mich geflüchtet habe, weil ich im Begriff war, als Komponist zugrunde zu gehen.” Als Furtwängler dies im Jahre 1946 an Ludwig Curtius, seinen frühen Freund und Mentor schrieb, genoss er als Dirigent bereits eine beispiellose Popularität, die sich nach dem Krieg noch einmal steigern sollte. Weltweit rühmte man seinen außerordentlichem Wissen untermauerten Zugriff auf die Werke der europäischen Musikkultur, speziell jedoch des Barock, der Klassik und der Romantik.
Seit Wilhelm Furtwängler 1922 Chefdirigent der Berliner Philharmoniker wurde, ist sein Name mit diesem Orchester untrennbar verbunden. Nach dem Krieg hatte Furtwängler Berufsverbot erhalten, bis er, nach einem Entnazifizierungsverfahren freigesprochen, 1947 an das Pult der Berliner Philharmoniker zurückkehrte. In der darauffolgenden Periode seiner Zusammenarbeit entstanden herausragende Aufnahmen mit diesem Orchester.

Fabelhafte Vinyl-Edition mit Studioaufnahmen Wilhelm Furtwänglers für DG

Nachdem im September 2019 bereits eine CD-Box mit sämtlichen Aufnahmen Wilhelm Furtwänglers für die Deutsche Grammophon erschienen war, hat die DG nun eine limitierte und nummerierte Vinyl-Edition veröffentlicht, die wiederum seine wenigen Studioaufnahmen der Nachkriegsperiode für das Gelbe Label zusammenfasst. Die vier LPs wurden nach den anspruchsvollen Standards der Emil Berliner Studios gemastert. Die Besonderheit dieser Edition liegt darin, dass sie Wilhelm Furtwänglers Doppelwirken als Dirigent und Komponist darstellt und dabei zugleich den großen Ernst und die unnachgiebige Haltung Furtwänglers deutlich macht, in beidem höchsten Ansprüchen zu genügen. Nicht anders als “wegweisend” sind denn auch die Interpretationen von Haydns Symphonie Nr. 88, Franz Schuberts “Großer” C-Dur-Symphonie und Robert Schumanns Vierter Sinfonie zu nennen. Sie entstanden zwischen 1951 und 1953. 

Haydn als Leitstern

Joseph Haydn bezeichnete Furtwängler in seinen Aufzeichnungen als “Leitstern seiner frühen Jugend”. Intensiv hatte er sich mit dessen Musik auseinandergesetzt, so auch mit der Sinfonie Nr. 88 in G-Dur, die Haydn 1787 nach seinen “Pariser Sinfonien” komponiert hatte. Das Wesen der Haydn’schen Musik, so Furtwängler, sei die unnachahmliche Mischung von heiterer Lieblichkeit und gestraffter Energie. Sie mache Haydn zu einem der größten Meister.    
Über die “Große” Sinfonie in C-Dur D 944, die letzte Sinfonie Franz Schuberts, hatte Robert Schumann 1894 in einem begeisterten Aufsatz geschrieben: “Hier ist, außer meisterlicher musikalischer Technik der Composition, noch Leben in allen Fasern, Colorit bis in die feinste Abstufung, Bedeutung überall, schärfster Ausdruck des Einzelnen, und über das Ganze endlich eine Romantik ausgegossen, wie man sie schon anderswoher an Franz Schubert kennt.”  Der Schweizer Flötist Georges Aurèle Nicolet erinnerte sich an diese Aufnahme mit Furtwängler: "Er wiederholte auch hier nicht sehr oft. Er spielte manchmal den Satz von Anfang bis zum Schluss durch, und kümmert sich nicht um die Mikrofone. Deshalb sind die Aufnahmen oft so gut. Als wir damals kaum begonnen hatten, war ein Einsatz nicht zusammen. Sofort klingelte das Telefon. Furtwängler hob ab und rief hinein: “Wir sind hier nicht in Amerika! Was zusammen ist, bestimme ich.”  Dass die Zeit für die Aufnahme von Robert Schumanns 4. Sinfonie begrenzt war, hat ihrer Qualität keinen Abbruch getan – im Gegenteil!

Eine überaus reichhaltige Partitur

Einen Schwerpunkt der Vinyl-Edition bilden fraglos die beiden LPs mit der Monumentalaufnahme von Wilhelm Furtwänglers Sinfonie Nr. 2 in e-Moll mit den den Berliner Philharmonikern. Sie entstanden im Dezember 1951 in der Berliner Christuskirche. Von den drei Sinfonien Furtwänglers ist seine zweite die bedeutendste und zugleich auch umfangreichste. Nachdem Furtwängler sein viersätziges Werk 1948 mit den Berliner Philharmonikern uraufgeführt hatte, bemerkten verschiedene Kritiker, Furtwänglers Tonsprache sei rückwärtsgewandt. Sie führten tonale und harmonische Parallelen zu Bruckner, Brahms oder Tschaikowski an. Furtwängler hingegen notierte 1948 zu seiner zweiten Sinfonie: “Musik wendet sich an den Menschen, an ein 'Publikum‘, nicht an eine Gruppe sogenannter Kenner oder Fachleute. Es ist mir… als Künstler unmöglich, auf das zu verzichten, was in meinen Augen das Entscheidende überhaupt ist: die Allgemeingültigkeit der Aussage.” Das “materiell Neue”, neue Harmonik, neue Tonalität, neue Rhythmik, so bekräftigte Furtwängler, habe ihn immer nur “historisch” interessiert. Furtwänglers gewaltige zweite Sinfonie ist beredter Ausdruck dieser Ansicht. 
Arthur Honegger, der große französische Komponistenkollege, hat Furtwänglers Ansatz genau verstanden als er schrieb: “Über den Mann, der eine so reichhaltige Partitur schreiben kann, lässt sich nicht streiten. Er gehört zur Gattung der großen Musiker”. Und dies zweifellos nicht nur als Komponist, sondern auch als Dirigent.