Joep Beving | Offizielle Biografie

Biografie Joep Beving

Joep Beving
© Rahi Rezvani
Man sagt, drei Dinge seien nötig, um im Musikgeschäft Erfolg zu haben: Talent, Timing und Glück. Und das gewisse Extra, mit dem man sich von den anderen abhebt. Joep besitzt das alles im Übermaß. Mit über zwei Metern Größe, seinem wilden Haar und dem wallenden Bart ähnelt der niederländische Pianist einem freundlichen Riesen aus einem Märchenbuch. Und sein Spiel – zurückhaltend, eindringlich, melancholisch – zeigt ihn als den freundlichsten aller Riesen, dessen zarte Melodien in diesen unruhigen Zeiten Balsam für die Seele sind.
»Die Welt ist zurzeit ein hektischer Ort«, sagt Joep. »Ich habe den dringenden Wunsch, auf ganz einfache menschliche Weise mit den Leuten in Kontakt zu treten. Musik als unsere universelle Sprache hat die Macht zu verbinden. Ich bin davon überzeugt, dass wir, ungeachtet der kulturellen Unterschiede, ein angeborenes Verständnis davon haben, was es heißt, Mensch zu sein. Unsere Gänsehaut zeugt zum Beispiel davon.« Joeps Musik ist das Gegenmittel gegen diese hektische Welt voll Unsicherheit und Angst – ein Soundtrack für eine bessere, hoffnungsvollere Zukunft, für den noch nicht gedrehten Film über das Leben künftiger Generationen. »Das Ganze ist ziemlich gefühlsbetont«, räumt Joep ein. »Ich nenne es ›einfache Musik für komplexe Gefühle‹. Es ist eine Musik, die Bilder weiterentwickelt, die den Zuhörern Raum gibt, die Lücken mit ihrer eigenen Fantasie zu füllen.«
Und was den Rest von Joep Bevings Geschichte angeht, so handelt sie von viel Glück und exzellentem Timing. Joep (sprich »Juhp«) gründete seine erste Band mit 14 Jahren und trat beim Jazzfestival seiner Heimatstadt erstmals vor Publikum auf. Nach der Schule schwankte er zwischen dem Musikerleben und einer Laufbahn in der Verwaltung. Als eine Verletzung des Handgelenks ihn zwang, sein Klavierstudium aufzugeben und sich der Wirtschaftswissenschaft zu widmen, schien der öffentliche Dienst den Sieg über die Musik davonzutragen. Doch die Anziehungskraft der Musik war zu stark. »Sie war immer in meinem Herzen«, sagt er, »und sie wird es immer sein.« Er erreichte einen Kompromiss zwischen den beiden gegensätzlichen Wegen, als er zehn Jahre lang bei einer erfolgreichen Firma arbeitete, in der er Musik für Produktwerbung schuf. »Aber ich hegte immer eine Hassliebe für die Werbung – ich war nie glücklich damit, Musik zu benutzen, um den Menschen Dinge zu verkaufen, die sie nicht brauchen.«
In seiner Freizeit spielte er Keyboard im erfolgreichen niederländischen Nu-Jazz-Ensemble The Scallymatic Orchestra und dem selbsternannten »Electrosoulhopjazz-Kollektiv« Moody Allen und er versuchte sich in Electronica mit seinem Ein-Mann-Projekt I Are Giant. Aber er gesteht selbst: »Das war nicht ich. Ich hatte meine eigene Stimme noch nicht gefunden.« Das änderte sich auf einer Reise nach Cannes zum Festival »Lions«, wo die Oscars der Werbebranche vergeben werden. Als er auf dem Flügel im Hotel eine seiner Kompositionen spielte, hatten die Leute Tränen in den Augen. »Es war das erste Mal, dass ich sah, welche emotionale Wirkung meine Musik auf die Zuhörer haben kann.«
Ermutigt durch diese Reaktion, gab Joep für enge Freunde in seiner Wohnung in Amsterdam eine Party, bei der er ihnen seine Musik auf dem Klavier vorspielte, das ihm seine Großmutter 2009 hinterlassen hatte. »Zum ersten Mal hörten meine Freunde mich Musik spielen, die nach ihrer Meinung nicht auf mein Wohnzimmer beschränkt bleiben durfte. Es war der Anstoß, den Traum zu realisieren, ein Solo-Album nur mit meinem Instrument zu machen.« Einen Monat später starb unerwartet ein guter Freund, und Joep komponierte ein Stück für die Beerdigung. »Ich spielte es erstmals bei seiner Trauerfeier. Anschließend rieten mir Leute, es aufzunehmen und es so zu einem unvergänglichen Denkmal für ihn zu machen. Er war ein großartiger Mensch.«
Nach diesem Echo begann Joep weitere Stücke zu schreiben und nahm sie in jeweils nur einem Take im Laufe der nächsten drei Monate in seiner Küche auf. Er spielte in der Nacht, wenn alles still war, während seine Freundin und die beiden kleinen Töchter schliefen. Das Ergebnis war sein ersten Album Solipsism. Da das einzige kontaktierte Schallplattenlabel ablehnte, bezahlte er die Herstellung von 1500 Vinylplatten aus eigener Tasche. Die grafische Gestaltung übernahm Rahi Rezvani (der auch das Video für »The Light She Brings« machte). Joep stellte das Album im März 2015 im Studio des gefragten Amsterdamer Modeschöpfers Hans Ubbink vor und spielte es dort erstmals vor Publikum. Die erste Vinyl-Auflage war schnell ausverkauft, vor allem an Freunde, und die Stücke waren sofort ein Hit auf Spotify, dessen Team in New York das Stück »The Light She Brings« in die beliebte Playlist »Peaceful Piano« stellte. »Die Leute begannen die Melodie zu teilen, also fügte man eine weitere hinzu. Dann fand schließlich das ganze Album Anklang.« Bald war Solipsism ein virales Phänomen, wobei das Stück »Sleeping Lotus« inzwischen fast 30 Millionen Male gestreamt wurde. Und alle Songs beider Alben zusammen wurden über 180 Millionen Male gestreamt.
Aufgrund seines großen Online-Erfolgs wurde Joep eingeladen, in einer niederländischen Fernsehshow zur besten Sendezeit zu spielen. Am nächsten Tag verdrängte sein Album die Gruppe One Direction von der Spitze der Charts. »Ein paar Tage später hatte Adele ihr Comeback – und ich war Geschichte«, lacht er. Aber da hatte er sich schon einen Namen gemacht. Er wurde von Konzertveranstaltern mit Show-Angeboten überschüttet, darunter ein prestigeträchtiges Solorecital in Amsterdams berühmtem Concertgebouw, und sein Album fand den Weg nach Berlin, wo eine Freundin es in ihrer Bar spielte, »um zwei Uhr morgens, während alle rauchten und Moscow Mules tranken«. Einer dieser Nachtschwärmer war zufällig der Produzent Christian Badzura von der Deutschen Grammophon. Nach erstem online-Kontakt trafen sie sich, als Joep im Piano Salon Christopheri in Berlin spielte – und am Ende hatte Joep einen Vertrag mit dem bedeutendsten Klassiklabel der Welt in der Tasche.
Die ersten Früchte der neuen Partnerschaft finden sich in Prehension. Als Nachfolger von Solipsism führt das Album die musikalischen und philosophischen Themen weiter, die Joep in seiner Musik sieht. »Ich reagiere auf die absolute Verrücktheit der Dinge, die um uns herum geschehen. Wir fühlen uns so unbedeutend und machtlos, dass wir uns von der Realität und den Menschen um uns entfremden, weil es unmöglich ist, diese Verrücktheit zu begreifen. Ich schreibe einfach, was mir schön erscheint, wobei ich viele Noten weglasse, mithilfe meines Instruments eine Geschichte erzähle und versuche, uns mit etwas zu verbinden, das schlicht, ehrlich und schön ist.«
5/2018
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