Herbert Blomstedt | News | "Schubert, Schubert in jedem Takt!"

“Schubert, Schubert in jedem Takt!”

Herbert Blomstedt Schubert Symphonies
© Eric Kemnitz
04.07.2022
Unfassbar: mit 95 Jahren ist Herbert Blomstedt, der “dienstälteste” Dirigent der Welt, noch immer in Sachen Musik unterwegs. 1927 in Springfield (USA) geboren, erhielt seine musikalische Ausbildung zunächst in Stockholm und Uppsala, ging dann an die Juilliard School zum Dirigierstudium und debütierte er 1954 als Dirigent mit dem Philharmonischen Orchester Stockholm. Die Liste der Orchester, mit denen Blomstedt arbeitete, ist so lang wie schillernd.  
Jetzt hat Herbert Blomstedt sein Debüt bei der Deutschen Grammophon aufgenommen. Die Frage nach dem Repertoire war für ihn schnell geklärt: Franz Schubert sollte es sein! Dessen letzten beiden Symphonien, die “Unvollendete” in h-Moll und das “Große” in C-Dur. Und bei der Wahl des Orchesters entschied sich Herbert Blomstedt für das Gewandhausorchester Leipzig, das er acht Jahre lang, von 1998 bis 2005, als Gewandhauskapellmeister leitete und dessen Ehrendirigent er bis heute ist. Und Schubert, das wusste Blomstedt, können sie Leipzig!

Fast vergessene Sinfonien

Franz Schubert hat in seinem kurzen Leben – er verstarb im Alter von nur 31 Jahren – jede musikalische Gattung bedient. Er hinterließ etwa 1200 Kompositionen, darunter allein 600 Lieder. Bis heute wird sein Name meist mit diesem Genre verbunden. Weitaus weniger hingegen waren bis ins 19. Jahrhundert seine Sinfonien bekannt. Die achte Sinfonie in h-Moll D. 759 (“Die Unvollendete”) und die Neunte in C-Dur, D. 944 (“Die Große”) teilten gar das gleiche Schicksal – sie drohten, dem Vergessen anheim zu fallen. Schuberts “Unvollendete”, komponiert in Jahr 1822, wurde erst am 17. Dezember 1865 uraufgeführt, mehr als vierzig Jahre nach seinem Tod! So lange lag sie bei seinem Freund Adolf Hüttenbrenner in der Schublade. Schubert hatte seine “Unvollendete”, von der nur zwei Sätze veröffentlicht sind, ebenfalls viersätzig konzipiert. Teile des dritten Satzes skizziert liegen als Fragment vor. Warum er die Arbeit daran abbrach, ist bis heute ungeklärt
Die Arbeit an seiner C-Dur-Sinfonie, im Autograph auf den März 1828 datiert, begann Schubert im Frühsommer 1825. Gewidmet er sie der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien. Aber der war sie zu lang, zu kompliziert und so blieb sie einfach liegen. Dass ihre Uraufführung am 21. März 1839, also mehr als 10 Jahre nach Schuberts Tod stattfand, verdankt die musikalische Welt keinem geringerem als Robert Schumann. Er war es, der im Oktober 1838 in Wien eine Kopie des Manuskripts der C-Dur-Sinfonie bei Schuberts Bruder Ferdinand entdeckte. Erst durch seine Initiative und Fürsprache wurde das Werk überhaupt bekannt und es war Felix Mendelssohn, der die Uraufführung dirigierte – nicht in Wien, wie man vermuten sollte, sondern in Leipzig!

“Ein echter Künstler imitiert nicht!”

Heute gehören die Sinfonien Franz Schuberts zum großen Kanon der Musik und werden weltweit gespielt. Auch Herbert Blomstedt hat sich in seiner langen musikalischen Karriere wiederholt mit Schuberts sinfonischem Werk befasst. Eine 2020 geplante Aufführung der C-Dur-Sinfonie in Hamburg musste coronabedingt ohne Publikum, stattfinden. Was Wunder also, dass Blomstedts Hingabe für Schuberts sinfonisches Werk nun in der Repertoireauswahl für sein Debüt bei der Deutsche Grammophon beredten Ausdruck findet!  Schubert, so sagt Herbert Blomstedt, wollte etwas Großes schaffen. “So, wie Beethoven. Aber wie schreibt man, ohne Beethoven zu imitieren? Schubert wollte original sein. Er war ein echter Künstler, und der imitiert nicht!” und dann fügt er hinzu: “Diese Sinfonie ist voll Schubert. Schubert, Schubert in jedem Takt.” Herbert Blomstedts hat, das ist in der hier veröffentlichten Aufnahme hörbar, seine Begeisterung auf das Gewandhausorchester übertragen – Takt für Takt. “Das Gefühl haben wir heute noch, wenn wir diese Sinfonie hören”, sagt er. “Wir kommen in eine andere Landschaft, dahin, wo kein Corona ist. Nur wunderbare Aussichten!”

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