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Romantische Gefühlslagen – Hélène Grimaud spielt Schumann und Brahms

Hélène Grimaud
© Daniel Stupar
06.09.2023
Zur deutschen Romantik hatte Hélène Grimaud schon immer eine besondere Beziehung. Die französische Pianistin charakterisiert das Verhältnis als eine Art Seelenverwandtschaft, die kaum in Worte zu fassen sei. Grimauds Diskografie, die eine Fülle von elektrisierenden Darbietungen romantischer Repertoires bietet, bestätigt den Eindruck der unkonventionellen Pianistin, die ein besonderes Gespür für poetische Nuancen und emotionale Heftigkeit in der Musik besitzt.
Auf ihrem neuesten Album kann sie diesen Neigungen uneingeschränkt Geltung verschaffen, denn dort taucht sie in die aufwühlenden Gefühlskosmen von Robert Schumann und Johannes Brahms ein. Das Album trägt den Titel “Für Clara”. Grimaud sucht die komplexen Beziehungen zu reflektieren, die Clara Schumann, geborene Wieck, zu ihrem späteren Ehemann Robert und zu Brahms unterhielt.

Liebe und Freundschaft

Clara wurde lange Zeit auf eine Muse Robert Schumanns reduziert. Dabei war sie selbst eine bedeutende Komponistin und Klaviervirtuosin. Für Robert war sie die Liebe seines Lebens. Mit Brahms, der eine hohe Wertschätzung für sie empfand, verband sie eine innigliche Freundschaft, über deren erotische Intimitätsgrade Unklarheit herrscht. Die Beziehungen spiegeln sich in dem Repertoire von Grimauds neuem Album, das Schumanns Klavierzyklus “Kreisleriana” (op. 16) mit den “Drei Intermezzi” (op. 117) von Brahms und dessen “9 Liedern und Gesängen” (op. 32) kombiniert.
Brahms hielt große Stücke auf Claras Urteil, was auch für seine drei späten Intermezzi galt, die 1892 entstanden. Die kleine Sammlung hat es in sich. Der Komponist schlägt darin einen ungewöhnlich stillen, fast minimalistischen Ton an, den Grimaud mit sanft perlender Klangpoesie kongenial einzufangen versteht. Die Kunstlieder auf dem Album singt der junge Bariton Konstantin Krimmel. Mit ihm veröffentlichte Grimaud zu Beginn des Jahres ihr international gefeiertes Album “Silent Songs” mit Liedern von Valentin Silvestrov.
Der Sänger blickt tief in die emotionalen Abgründe der Brahms-Lieder, die der Komponist in den 1860er Jahren zur Lyrik der beiden Dichter Georg Friedrich Daumer und August von Platen schuf. Krimmel versteht es, existenziellen Gefühlslagen, wie Verlusterfahrungen, Freiheitsdrang oder Leidenschaftlichkeit, glaubhaft Ausdruck zu verleihen. Der farbenreiche Klaviersatz, den Grimaud dazu intoniert, macht die Lieder auch harmonisch zu einem außerordentlichen Erlebnis.

Impressionistische Vorahnungen

Als Highlight des Albums können die Kreisleriana gelten. Der Zyklus zählt zu den Schlüsselwerken der romantischen Literatur für Klavier solo. Die Sammlung umfasst acht Charakterstücke und ist von drastischen Stimmungsschwankungen geprägt. Schumann nahm mit dem Titel Bezug auf E. T. A. Hoffmanns literarische Gestalt des exzentrischen Kapellmeisters Johannes Kreisler. Der Komponist schrieb das Werk 1838, als er von ebenso leidenschaftlichen wie verzweifelten Gefühlen für Clara beherrscht war, die er zwei Jahre später heiratete.
Grimaud gibt sich vorbehaltlos den poetischen Stimmungen des Werks hin. Zugleich ist sie klarsichtig in ihrem Spiel und kostet die kühnen Harmonien Schumanns genussvoll aus. Die impressionistischen Vorahnungen Schumanns sind kaum je so deutlich zum Vorschein gekommen wie in Grimauds hinreißender Darbietung der Kreisleriana.

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