Arvo Pärt | News | Fast eine Summe – Manfred Eicher kompiliert Meisterwerke von Arvo Pärt

Fast eine Summe – Manfred Eicher kompiliert Meisterwerke von Arvo Pärt

Arvo Pärt, Manfred Eicher
© Caroline Forbes / ECM Records
10.09.2015
Eine solche Zusammenarbeit ist selten. 30 Jahre lang kooperieren Manfred Eicher und Arvo Pärt jetzt schon, und der Reiz dieser künstlerischen Verbindung hat in all den Jahren nie nachgelassen.

Der Gründungsimpuls – ECM New Series

Obgleich sie mit unterschiedlichen Gaben ausgestattet sind, wollen Manfred Eicher und Arvo Pärt im Grunde doch dasselbe: große Kunst, nichts als Kunst. Manfred Eicher gehört zu den Musikproduzenten, die selbst schöpferisch tätig sind und all ihre künstlerische Energie in die Erzeugung hochwertiger Tonträger legen. Der 1943 in Lindau geborene Grandseigneur der musikalischen Independentszene spielte einst Kontrabass bei den Berliner Philharmonikern und betätigte sich zudem im Free Jazz.
Im Jahre 1969 gründete er zusammen mit Manfred Scheffner und Karl Egger das Plattenlabel ECM Records, das in der Folge zu einer der nobelsten Adressen des europäischen Jazz avancierte. Im Jahre 1984 trat mit ECM New Series eine Abteilung für zeitgenössische E-Musik hinzu. Zwar hatte sich Eicher mit der Produktion von Steve Reichs bahnbrechender “Music for 18 Musicians” schon vorher der Neuen Musik zugewandt, aber Arvo Pärt löste den entscheidenden Impuls aus, diesem Feld auch ein eigenes Label zu widmen.  

Passende Neigungen – Manfred Eicher und Arvo Pärt

Eichers erste Begegnung mit Arvo Pärt liest sich wie ein musikalischer Traum. Der Münchener Produzent ist mit dem Auto unterwegs, als er im Radio plötzlich Musik von Arvo Pärt hört. Eicher ist hingerissen. Um einen besseren Empfang zu bekommen, fährt er auf einen Hügel und lauscht begeistert den Klängen des estnischen Komponisten. Später erst findet er heraus, dass diese Musik von Arvo Pärt stammte, und er fasst einen Entschluss: Er will diesen Mann treffen, und wenn alles gut geht, dann möchte er ihn aufnehmen.    
Es geht gut. Die Schwingungen passen. Manfred Eicher und Arvo Pärt ergänzen sich prächtig, und das Märchen nimmt seinen Lauf. Mit “Tabula Rasa” erscheint das erste Album von Arvo Pärt bei ECM New Series. Gidon Kremer und Keith Jarrett interpretieren darauf in einer meisterlichen Einspielung Pärts melancholisch verträumtes Stück “Fratres”. Der klare Klang ist überwältigend. Die Zusammenarbeit von Komponist, ausführenden Musikern und Produzent erweist sich als ein historischer Glücksfall.
Arvo Pärt nimmt fortan alle seine Hauptwerke zuerst bei ECM auf und ist stets persönlich bei den Aufnahmesessions anwesend. Deshalb handelt es sich bei sämtlichen ECM-Aufnahmen Pärts um Erstaufnahmen, die ein Ergebnis der direkten Zusammenarbeit zwischen Pärt und Eicher im Studio sind. Das macht diese Aufnahmen so besonders. Dadurch unterscheiden sie sich von Aufnahmen, die Pärt bei anderen Labels gemacht hat.          

Wellenbewegungen – Summe einer kongenialen Partnerschaft    

Für Arvo Pärt ist Manfred Eicher ein Hörender, ein Meister des Klangraums. Er verortet die Musik geschickt, hält sie im richtigen Augenblick fest und fügt sie in plausible Konstellationen. Dazu gehört auch die Kunst des Kompilierens, und diese treibt Manfred Eicher in dem Doppelalbum, das er Arvo Pärt jetzt zu seinem 80. Geburtstag widmet, zur Vollendung. “Arvo Pärt: Musica Selecta. A Sequence by Manfred Eicher” ist die Summe einer Zusammenarbeit, die enorme Früchte getragen hat.
Eicher hat Schlüsselwerke von Arvo Pärt zu einer Sequenz gefügt, die tiefe Einblicke in die spirituelle Klangatmosphäre des estnischen Komponisten gewährt. Wenn man das Doppelalbum in einem durchhört, dann stellt sich der Eindruck von sanften Wellenbewegungen ein. Wir hören den sehnsuchtsvollen Pärt, etwa in dem romantischen Lied “Es sang vor langen Jahren” (1984), den meditativ-melancholischen der legendären “Fratres” (1977/1980) und nicht zuletzt den geistlichen Meister des “Stabat Mater” (1985). Stille und Spannung, meditatives Gleiten und wuchtige Heftigkeiten, die bei Pärt auch vorkommen, fügen sich zu einem phantastischen Porträt.
Und wenn man das Booklet aufschlägt, dann stößt man auf einen imponierenden, persönlich gefärbten Begleitessay von Manfred Eicher und auf eine ganze Reihe atmosphärisch eindringlicher Fotos, auf denen man Pärt und Eicher bei einem gemeinsamen Spaziergang im Schnee oder vor der Kulisse eines prächtigen Kirchraums, in konzentrierte Gespräche verwickelt, erblickt. Das ist ergreifend. Ein berührendes Zeugnis für eine künstlerische Freundschaft, wie sie selten geworden ist in unseren schnelllebigen Zeiten.       

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