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Russische Impressionen

09.01.2008
Man möchte es kaum glauben, aber Sergei Rachmaninow, einer der wichtigsten Komponisten und versiertesten Pianisten und Dirigenten des vergangenen Jahrhunderts, war ein von Selbstzweifeln geplagter Mann, den eine einfache abschätzigen Bemerkung aus berufenem Munde bereits aus der Ruhe bringen konnte. Als etwa 1897 seine erste Sinfonie beim Publikum durchfiel, sackte er selbst in eine tiefe Schaffenskrise ab, aus der er sich nur mit professioneller Hilfe wieder heraus zu helfen wusste. In mancher Hinsicht hatte er und nicht zuletzt auch seine Nachwelt aber auch Glück in der Krise. Denn Rachmaninows behandelnder Hypnose-Arzt Dr. Nikolai Dahl war nicht nur Psychologe, sondern auch Hobby-Cellist. Und so half er dem Komponisten nicht nur über die Schaffenszweifel hinweg – und wurde nebenbei Widmungsträger von Rachmaninows Cello-Konzert – sondern war wohlmöglich auch indirekt ein Katalysator für so manches Werk, das der Meister für Streichinstrumente schrieb. Zu den erstaunlichen Schmuckstücken der Cello-Literatur zählt beispielsweise die “Sonate für Cello und Piano, g-moll, op.19”, die im Jahr 1901, bereits kurz nach dem zweiten Klavierkonzert entstand und zu den großen Herausforderungen an Interpretationskunst und Spieltechnik gehört.
Selbst eine Koryphäe ihres Instruments wie der Cellist Mischa Maisky, der am 10. Januar seinen 60. Geburtstag feiert, hat das Werk lange Jahre nur mit großer Vorsicht betrachtet: “Ich spiele die Sonate seit vielen Jahren, aber ich habe sie lange Zeit nicht komplett gespielt, weil ich so meine Zweifel an dem letzten Satz hatte. Erst Gregor Piatigorsky konnte mich davon überzeugen, dass es mein Problem, und nicht das von Rachmaninow war. Ich habe das Werk nie zusammen mit Rostropowitsch studiert, obwohl ich in seiner Klasse war, als es gespielt wurde – ich erinnere mich noch an eine unvergessliche Darbietung von Nathalie Gutman. Mit Piatigorsky bin ich die Sonate durchgegangen – mit ihm habe ich fast das gesamte Cello-Repertoire durchgesprochen – und vor etwa 30 Jahren habe ich dann begonnen, das ganze Stück zu spielen”. Allerdings ließ sich Mischa Maisky Zeit bis zum Juni 2005, als er in Lugano die Sonate live auf der Bühne vortrug, um Rachmaninows Schmuckstück auch auf CD zu archivieren.

Partner an seiner Seite war der in Venezuela geborene Argentinier Sergio Tiempo, mit dem Maisky eine besondere künstlerische Freundschaft verbindet. “Es ist offensichtlich, dass bei diesem Stück der Pianist eine besondere Rolle spielt. Aus diesem Grund hatte ich die Sonate bislang nicht aufgenommen. Offenbar fühle ich mich besonders wohl, wenn ich russische Musik mit südamerikanischen Pianisten interpretiere”, resümiert Maisky mit einem Seitenblick auf seine häufige Klavier-Partnerin, die Argentinierin Martha Argerich. In diesem Fall ist jedoch Sergio Tiempo der Mann der Stunde und er sekundiert den Cellisten mit faszinierender Empathie, ganz gleich, ob es sich um die höllisch vertrackte Sonate oder um die Miniaturen handelt, die Maisky mit Ausnahme der Original-Komposition “Danse Orientale” von anderen Instrumenten auf sein eigenes übertragen hat. Manches wurde dabei zunächst für Klavier geschrieben, wie die “Élégie” (“Schon als Jugendlicher liebte ich die Élégie ganz besonders, und hatte immer den Wunsch, sie auf dem Cello zu spielen”) oder das “Prélude op. 23 Nr.10, G-Dur”.

Andere Kompositionen entstammen den rund 80 Liedern, die Rachmaninow im Laufe der Jahre verfasst hat. Über eine Albumlänge hinweg entsteht auf diese Weise ein sorgfältig gespannter Bogen von den ruhigen Stimmungsbildern über die gewaltige Sonate bis wieder hin zu dezenteren Momenten, der ein herausragendes Künstler-Team präsentiert – der Seele der Musik auf der Spur, die der umtriebige und hellsichtige russische Komponist der Kulturwelt hinterlassen hat.

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