Measha Brueggergosman | News | Ganz etwas Anderes

Ganz etwas Anderes

12.03.2008
Das Album beginnt mit einem schnippischen “Surprise!” und zeigt schon bei den ersten Tönen, wo die Stärken von Measha Brueggergosman liegen. Natürlich könnte die agile Kanadierin auch die bewährten Partien ihres Fachs singen, doch damit wäre ihr immenses Talent zur schauspielerischen Darstellung im Gesang, zum turbulenten und dramatischen Erzählen unterfordert. So hat die seit der Jahrtausendwende bereits ihn ihrer Heimat gefeierte Sopranistin für ihren Einstand bei der Deutschen Grammophon ein überraschendes Programm gewählt: William Bolcoms “Cabaret Songs”, Arnold Schönbergs “Brettl-Lieder” und fünf Miniaturen von Erik Satie. Heraus kam ein faszinierendes Kompendium der musikalischen Seitenlinien, ungemein unterhaltsam und zugleich ernst genug, um die große Kunst hinter dem vermeintlich Kleinen zu entdecken. Measha Brueggergosmann stammt aus dem kanadischen Fredericton im Bundesstaat New Brunswick. Ihr Vater arbeitete beim Radio, daheim lief viel klassische Musik, während sie ihrer ersten Schritte machte, Worte sprach und Sätze schrieb. Das Mädel war begabt, allerdings merkte das zunächst eine aufmerksame Grundschullehrerin, die die Eltern auf Maeshas Talent ansprach. Die gaben ihr Recht und so kam es zu ersten Gesangs- und Klavierstunden.
Von da an ging es zügig voran. Im Alter 15 Jahren entschloss sich die Teenagerin, Sängerin zu werden und meldete sich an der Universität von Toronto an. Sie lernte bei Mary Morrison, machte ihren Abschluss, ließ sich nicht von den Verlockungen beirren, sich gleich ins Getümmel zu stürzen, sondern ging weiter nach Deutschland, um sich bei der Spezialistin für Liedgesang Edith Wiens noch weiter ausbilden zu lassen.

Dann erst, als Measha Brueggergosman das Gefühl hatte, genügend Handwerkszeug gelernt zu haben, um auch die anspruchsvolleren Repertoireperlen zu singen, machte sie sich auf den Weg in die Szene. Sie gewinnt den Robert-Schumann-Wettbewerb in Zwickau (2000), den Internationalen Gesangswettbewerb der Londoner Wigmore Hall (2001), den Wettbewerb der ARD in München (2003) und ist seitdem zunehmend auf den internationalen Bühnen präsent. Dabei helfen ihr nicht nur ihre fantastische Stimme, sondern auch die schauspielerische Begabung und ein Temperament, das jedem Zuhörer, wenn er sie hört und live erlebt, augenblicklich klar macht, dass Musik etwas Lustvolles, Persönliches und zugleich faszinierend Weltoffenes ist.



Die Zeit also ist reif für ein Album, das diese junge, eigenständige Künstlerin einem großen Publikum präsentiert – und das bei dieser Geschichte als Debüt bei der Deutschen Grammophon nicht aus den Klassikern des Hohen Cs, sondern aus ungewöhnlichen Liedern bestehen muss, die die besonderen Kompetenzen von Measha Brueggergosman in den Mittelpunkt stellen: “Das Kunststück ist, den Gesang soweit zurückzunehmen, dass er das Geschichtenerzählen nicht überschattet. Die Bolcom-Lieder sind tiefer gesetzt und lassen sich daher leichter erzählerisch gestalten. Schönberg und Satie bieten in dieser Hinsicht eine viel größere Herausforderung – obwohl ich bei Satie, der in der melodischen Üppigkeit schwelgt, die eigentlich nur Franzosen beherrschen, gar nichts dagegen habe, wenn die Leute sagen: ‘Jetzt hör doch einfach nur zu!’ Aber anfangs dachte ich immer daran, wie ich die Geschichte erzählen kann, statt ein Lied zu singen”.

Der Titel “Surprise!” passt daher in vieler Hinsicht, in Bezug auf das Temperament, das Repertoire, die Details der Gestaltung und die Künstlerin in ihrer gesamten Erscheinung. Denn eines ist klar: Wer sich als Einstand in die große Welt der Stimmen die “Cabaret Songs” von William Bolcom, die “Brettl-Lieder” von Arnold Schönberg und fünf zum Teil neu orchestrierte Lieder von Erik Satie auswählt, muss schon eine Überraschung zu bieten haben. Und die gelingt Measha Brueggergosman mit der Lässigkeit einer großen Künstlerin.

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