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Maria João Pires und der späte Chopin

Maria Maria João © Felix Broede / DG
Maria Maria João © Felix Broede / DG
27.05.2009
Musik ist auch und vor allem eine Frage der Balance. Maria João Pires achtet sorgfältig darauf, dass sie sich nicht vom Konzertbetrieb und dem Drumherum der Kunst verschleißen lässt. Aufnahmen verwirklicht die portugiesische Pianistin nicht nach strengen Veröffentlichungsplänen, sondern immer erst dann, wenn sie das Gefühl hat, dass sie der Vorlage auch wirklich gerecht wird. Das aber bedeutet, dass ihre Beschäftigungen, bevorzugt mit Komponisten der Romantik, zum Subtilsten und Reflektiertesten gehören, was überhaupt möglich ist. Pires` aktuelles Interesse gilt dem Spätwerk des polnischen Komponisten Frédéric Chopin und erweist sich, den Erwartungen gemäß, als Höhepunkt differenzierter Ausdruckskraft.

Belgais liegt unweit der Grenze nach Spanien im portugiesischen Hinterland versteckt. Es ist als kulturelles Studienzentrum ein Refugium der Stille und Ursprünglichkeit. Die Hektik des Urbanen verschwindet im Angesicht der kargen Natur und die Kunst hat die Chance, wieder zu sich zu finden. Aus diesem Grund wurde das Belgais Estate von der Pianistin Maria João Pires ins Leben gerufen. Es ist einer ihre Ankerpunkte, wo sie die Ruhe findet, sich ausführlich mit den Werken der von ihr verehrten Komponisten auseinander zu setzen. Es ist ein friedlicher Ort, und er lädt ein, sich in besonderer Weise auf Musik einzulassen und daher auch besondere Entdeckungen zu machen. Das Klavierwerk Frédéric Chopins zum Beispiel schwankt in der musiköffentlichen Wahrnehmung zwischen Salonklang höherer Töchter im Fall der technisch einfacherer Stücke und romantischer Virtuosität, wenn es beispielsweise um die Sonaten und Konzerte geht. Der Blick ist dabei fokussiert auf den melancholischen Exilanten, auf Biographisches und Hagiographisches, das den Komponisten als mythische Wolke umweht.

Dabei war er vor allem ein Revolutionär der Klangsprache, weit umfassender noch, als das normalerweise wahrgenommen wird. „Seine Harmonik ist sicherlich von großem Anspruch und Kühnheit geprägt“, meint Maria João Pires zu den späten Werken, vor allem im Hinblick auf die Dritte Sonate. “Spielt man einige Takte der ‘Dritten Sonate’ außerhalb ihres üblichen Zusammenhangs – und das gilt auch für die meisten anderen Stücke – könnte man in der Bestimmung des Entstehungsdatums leicht Fehler machen Ich bin immer wieder ebenso begeistert wie bewegt von der Chromatik der Mazurka op. 68 no.4, der letzten, die er geschrieben hat. Wagner, Fauré, Franck und Debussy beziehen sich direkt auf diese Quelle der Inspiration. Und Scriabin natürlich!” Ähnliches gibt für die “Dritte Sonate” von 1844. “Sie ist ein wirklich wichtiges Werk für mich, eines das ich immer schon als einen Ausgangspunkt gesehen habe, von dem aus Chopin ein neues Bewusstsein der Dinge entwickelt hat.”

So steht sie auch am Anfang des Doppelalbums, mit dem Maria João Pires sich des famosen Komponisten widmet. Die Aufnahmen entstanden während des vergangenen Sommer im holländischen Hilversum und führen den Hörer von vermeintlich kleineren Werken wie den “Mazurkas op. 59, op. 63, op. 67 und op.68” über “Walzer” und “Nocturnes” bis hin zur “Fantasie-Polonaise op.61”. Als besonderen Kernpunkt des Chopin-Album hat Maria João Pires außerdem die “Sonate für Cello und Klavier in g-Moll, op.65” in das Programm genommen. Sie führt die Pianistin mit dem jungen Cellisten Pavel Gomziakov zusammen, eine musikalische Liaison, die sich als exzellente Wahl herausstellt: “Ich kann nie genau sagen, was mich besonders an einem Musiker bewegt. Es ist etwas kaum Spürbares, eine mysteriöse Affinität, die mit spontan erfüllt. Bei Pavel Gomziakov habe ich eine Würde des Klangs und eine besondere Strenge des Tons entdeckt, die perfekt zu dieser Musik passen und mich sofort berührt haben”. So erstrahlen Chopins Werke in luzider Klarheit, die sie vom Schwulst des Romantischen befreien, und dokumentieren durch die Vermittlung von Maria João Pires einen zutiefst ernsthaften, bewegend modernen Komponisten jenseits der Klischees.

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