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Tiefer Trost – Magdalena Kožena singt geistliche Lieder und Arien

Magdalena Kozená
© Harald Hoffmann / DG
01.04.2014
Man braucht kein Philosoph zu sein, auch nicht religiös begabt: Die Frage, woher man kommt und wohin man geht, ereilt jeden Menschen früher oder später. Es ist dieser verdichtete Augenblick, von dem viele geistliche Lieder ihren Ausgang nehmen. Und obwohl das geistliche Lied längst seine christliche Verbindlichkeit eingebüßt hat, spenden solche Lieder immer noch diesen unerklärlichen, warmen Trost, der auch ihr ursprünglicher religiöser Sinn war: Wir sind nicht verloren. So sehr wir auch taumeln, wir finden stets wieder Halt.

Versöhnung

Die junge tschechische Sängerin Magdalena Kožena, die jetzt mit ihrem neuen Album “Prayer” eine wundervolle Sammlung religiöser Lieder vorlegt, weiß um diesen Trost. Sie ist in die Abgründe der menschlichen Existenz und den tröstenden Sinn des religiösen Liedes tief eingedrungen. Und das nicht nur musikalisch, sondern auch geistig. Kožena ist eine nachdenkliche Frau, die trotz ihrer enormen Erfolge die Bodenhaftung nicht verloren hat. Und obwohl die religiöse Antwort auf die Verlassenheit des Menschen in modernen westlichen Gesellschaften nicht mehr allgemein geteilt wird, hebt die zuversichtliche Mezzosopranistin doch entschieden die bleibende Wirkung und seelische Kraft des geistlichen Liedes hervor.
In Schuberts berührendem Lied “Totengräbers Heimweh”, das den Auftakt ihres neuen Albums für Deutsche Grammophon bildet, entdeckt sie “ein unglaublich intensives Nachdenken darüber, weshalb wir hier sind und was nach dem Tod kommt”. Und obgleich dieses Nachdenken alle Zeichen einer todessehnsüchtigen Verzweiflung trägt, gibt es doch Momente von Versöhnung darin. “Man kann”, so Kožena, “dieses Lied religiös nennen oder nicht. Aber der Schluss, dieses ‘Ich komme, ich komm’, da sieht jemand das Licht am Ende aller Dinge.”

Unendlicher Trost  

“Das Licht am Ende aller Dinge” – das könnte geradezu das Motto der vorliegenden Sammlung sein, denn wann immer man beim Hören dieses ergreifenden Albums den Eindruck bekommt, jetzt bricht der Mensch völlig zusammen, jetzt ist Schluss, jetzt wird es zu dunkel, dann erklingen Töne unendlichen Trostes. “Totengräbers Heimweh” an den Anfang zu stellen, ist dabei eine geniale editorische Idee, kommt doch in diesem Lied das ganze Drama des zerrissenen Menschen, der sich nach Erlösung sehnt, in eindrucksvoller Offenheit zum Ausdruck. Kožena singt das Lied trotzdem nicht verzweifelt, sondern maßvoll dramatisch. Man spürt bei allem dramatischen Talent, das sie besitzt und das sie an viele große Opernbühnen der Welt geführt hat, wo sie mit den bedeutendsten Künstlern der Gegenwart zusammenarbeitete, dass sie um das “gute Ende” weiß und dass Dramatik im religiösen Lied etwas anderes bedeutet als auf der Opernbühne.

Gelungene Mischung

Hört man nach Schuberts Lied an zweiter Stelle Bachs “Komm, süßer Tod”, dann spürt man sofort eine ganz andere Art von Todessehnsucht. Im Gegensatz zu Schuberts Zerrissenheit ist Bachs Todesbegehren eher sanft, ein zartes Loslassen. Hugo Wolfs Lieder, von denen es gleich fünf auf dem Album gibt, wirken oft wie eine Versöhnung von romantisch-expressivem Aufbegehren und religiöser Erlösung. Sie haben etwas sehr Erhabenes, können aber auch, wie sein “Mühvoll komm ich und beladen”, hochdramatisch und sehr modern sein. Das Dramatische gilt in besonderer Weise für Henry Purcells “Tell me, some pitying angel”, während Bizets “Agnus Dei” und Dvořáks “Ave Maria” eher besinnlich und sicher klingen. Das Konzept des Albums, durch die Jahrhunderte zu wandern, geht voll auf. Es sind die Stimmungen von wilder Verzweiflung, über Bitten und Flehen bis hin zu sanftem Trost, die das verbindende Element stiften. Und der Gesang steht mutig ein für die Echtheit dieser Emotionen.

Warm und menschlich

Was an dem Gesang von Magdalena Kožena so sehr besticht, das ist die Wärme und Menschlichkeit dieses Mezzosoprans. Man hat nie den Eindruck, dass sie über irgendetwas hinweggeht. Stets wendet sie sich den Dingen zu, bleibt ihnen treu. Die Lieder über Maria, von denen es hier einige gibt, offenbaren ein unbefangen mütterliches, fürsorgliches Element in ihrer Kunst. So etwas hört man selten in dieser Intensität. Man fühlt sich geradezu aufgehoben in ihrer Stimme. Das souveräne Orgelspiel von Christian Schmitt verstärkt diesen Effekt noch. Der Bass im Pedal wirkt oft wie eine Stabilisierung und Sicherung, ein Netz, in das sich die Sängerin hineinfallen lassen kann. Der Hörer wiederum hat das Privileg, sich von beiden Künstlern tragen zu lassen. Und ob religiös veranlagt oder nicht: Wer lässt sich nicht gerne tragen?

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