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Michelle Makarski & Keith Jarrett: Gezügelte interpretative Persönlichkeiten

Michelle Makarski, Keith Jarrett
© Daniela Yohannes / ECM Records
26.09.2013
Johann Sebastian Bach begann mit der Arbeit an seinen sechs Sonaten für Violine und Cembalo (BWV 1014–19) schon in der Zeit, die er an den Höfen in Weimar und Köthen verbrachte. Über Jahrzehnte hinweg kehrte er zu diesen Werken zurück und überarbeitete sie immer wieder bis in die letzten Jahre vor seinem Tod. Carl Philipp Emmanuel Bach zählte diese Stücke später „zu den besten Werke meines lieben Vaters”. Die Sonaten wurden von Bach in sechs verschiedene Tonarten gesetzt, jeweils drei davon in Dur und Moll, und kompositorisch so konzipiert, dass sie für die ausführenden Musiker eine wirkliche Herausforderung darstellen.
Keith Jarrett, der schon einige Bach-Werke – “Goldberg Variations” (1989) und “Das Wohltemperierte Klavier, Buch I / Buch II” (1989/1991) – auf dem Cembalo für ECM eingespielt hatte, ist hier im Zusammenspiel mit der Violinistin Michelle Makarski am Klavier zu hören.
Obwohl Makarski sich vornehmlich dem “klassischen” Repertoire von der vorbarocken bis zur Neuen Musik widmet, ist sie eine Musikerin mit außergewöhnlich breit gefächerten stilistischen Interessen. Erfahrungen sammelte sie auch im Bereich des Jazz und der improvisierten Musik.
Durch Keith Jarrett gelangte sie 1993 zu ECM, als dieser sie zur Einspielung seines “New Series”-Albums “Bridge Of Light” einlud. Es featurete Makarski als Solistin in der “Elegy for Violin and String Orchestra” und als Jarretts Duett-Partnerin in der “Sonata for Violin and Piano”. Danach nahm Makarski für das Label die Rezitalalben “Caoine “(1995, mit Musik von Bach, Biber, Hartke, Reger und Rochberg), “Elegio per un’ombra” (1999, mit Musik von Tartini, Dallapiccola, Berio, Carter und Petrassi) sowie “To Be Sung On The Water” (2004, mit Musik von Tartini und Crockett) auf. Darüber hinaus arbeitete sie mit Tomasz Stanko, John Surman und Dino Saluzzi auf dem Album “From The Green Hill” (1998) zusammen und mit dem Hilliard Ensemble in Stephen Hartkes “Tituli” (2003).
Makarski und Jarrett hielten seit ihrer ersten Kollaboration stets Kontakt zueinander. Die Bach-Sonaten dieses Albums führten sie erstmals an Weihnachten 2008 zusammen auf. In den folgenden zwei Jahren trafen sich regelmäßig, um die Sonaten aus reinem Vergnügen immer wieder zu spielen. “Jedemal, wenn sie mich besuchte, spielten wir sie”, verriet Jarrett Ethan Iverson in der jüngsten September-Ausgabe des Magazins Down Beat. Die Idee, diese Arbeit auch zu dokumentieren, kam erst spät: Im November 2010 nahmen Makarski und Jarrett die Sonaten in den Räumen der American Academy of Arts and Letters in New York auf. Dies ist Jarretts erste Klassikeinspielung seit seinem Doppelalbum mit Mozarts Klavierkonzerten von 1996, und erst das zweite Mal, dass er für eine Aufnahme Bach auf dem Klavier und nicht auf dem Cembalo spielt.
“Die Musik bedarf in keinster Weise meiner Hilfe”, meint Keith Jarrett, der ansonsten für seine fantasievollen Improvisationen und Interpretationen bekannt ist. So wie einst bei der Aufnahme des ersten Buchs des “Wohltemperierte Klavier”, nimmt er auch diesmal davon Abstand, dem Bachschen Werk seine “interpretative Persönlichkeit” aufzudrängen. “Ich stürze mich einfach auf den Komponisten und sage ihm: ‘Zeig mir etwas, das ich noch nicht über Musik weiß.’” Bachs “Antwort” kann man nun auf “Six Sonatas for Violin and Piano” hören.

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