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Brahms' Erben

13.02.2008
Johannes Brahms machte es sich nicht leicht. Sein drittes Klavierquartett in c-moll beispielsweise beschäftigte ihn rund zwanzig Jahre, bis er das Gefühl hatte, dass es in etwa seinen musikalischen Vorstellungen entsprach. Er war ein Grübler, ein mit sich kämpfender, letztlich unglücklich verliebter Intellektueller, der in seinen Werken die Auseinandersetzungen in sublimierter Form im Austausch mit dem musikalischen Diskurs formulierte. Schon deshalb erfordern musikalische Stellungnahmen wie die Klavierquartette besondere Sorgfalt im Umgang mit der Interpretation, eine Beschäftigung, wie sie ein Weltklasse-Ensemble wie das Fauré Quartett bieten kann.
Natürlich gehörte auch eine Portion post-Wertherscher Romantik zum Künstlermythos, den Komponisten wie Johannes Brahms um sich wachsen ließen. Im Gespräch mit dem Geiger Arthur Abell etwa meinte der inzwischen altersweise Klangschöpfer über die Momente der Inspiration: “Ich muss mich im Zustand der Halbtrance befinden, um solche Ergebnisse zu erzielen – ein Zustand, in welchem das bewusste Denken vorübergehend herrenlos ist und das Unterbewusstsein herrscht, denn durch dieses, als ein Teil der Allmacht, geschieht die Inspiration. Ich muss jedoch darauf achten, dass ich das Bewusstsein nicht verliere, sonst entschwinden die Ideen”. Da grüßt der Zeitgeist à la Sigmund Freud von der Couch und doch trifft die Charakterisierung den Kern des künstlerischen Schaffens. Schließlich geht es um den Moment der kreativen Grenzüberschreitung, diesen speziellen Augenblick des Außerachtlassens der gestalterischen Konventionen einer Epoche, die aus einem Einfall einen genialen Geistesblitz werden lässt.
 
Brahms hat sein Leben lang um diese Lichtblicke gekämpft, hat Kritik ertragen müssen für seine sinfonischen Experimente, den Klang des Orchesters zu erweitern, in den Kammermusik aber immer wieder zu sich gefunden. Auch hier war es die zur Freundschaft erklärte stille Liebe zu der Pianistin Clara Schumann, die ihn umtrieb, bis hin zu makabren Einfällen, mit denen er die Vorstellung seines Schaffens untermalte. Als etwa die Veröffentlichung seines dritten, im dunklen c-moll gehaltenen Klavierquartetts anstand, schrieb er an seinen Verleger: “Sie dürfen auf dem Titelblatt ein Bild anbringen. Nämlich einen Kopf mit einer Pistole davor. Nun können Sie sich einen Begriff von der Musik machen! Ich werde Ihnen zu dem Zweck meine Fotografie schicken!”
 
Brahms' Deutung war so prägnant, dass sich die Floskel der “Selbstmordmusik” bis heute gehalten hat. Dabei ging es dem Komponisten unter der Oberfläche weniger um die Stilisierung einer Gemütshaltung als um die konsequente Ausweitung des musikalischen Ausdrucksinventars. Schon über sein erstes Klavierquartett, dessen Orchestrierung sich Jahrzehnte später Arnold Schönberg vornahm, urteilte der mindestens ebenso klangerfahrene Nachfahre mit einem Augenzwinkern, es handle sich eigentlich um Brahms' fünfte Sinfonie. Für das Fauré Quartett ist es daher eine angemessene Herausforderung, sich mit diesem Werkkorpus auseinander zu setzen. Das 1995 in Karlsruhe gegründete Ensemble, das es mit großer Kompetenz und interpretatorischer Hingabe an die Erfordernisse der Werke schaffte, sich innerhalb weniger Jahre an der Spitze der internationalen Kammermusikszene zu platzieren, wandte sich im August 2007 in der Berliner Siemensvilla den Quartetten eins und drei zu, um ihnen mit dem ihm eigenen Verständnis einer ganzheitlichen musikalischen Umsetzung eine zugleich individuelle und darüber hinaus gültige Form zu geben. Das Resultat dieser Klangerforschungen ist ebenso beeindruckend wie zwingend. Indem die Musiker selbst mit den Schichten der Deutung agieren und gerade in Bezug auf die Opulenz den Klanges es immer wieder schaffen, der Ebene des Notentextes ungeahnte Raumwirkungen und Detailnuancen abzugewinnen, bekommen die Klavierquartette eine akustische Gestalt, von der man sich vorstellen kann, dass sie auch dem Komponisten selbst vorgeschwebt sein könnte. Eine Aufnahme, die noch von sich reden machen wird.

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