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Mehr als „Stabat Mater“

Claudio Abbado ©Marco Caselli Nirmal
Marco Caselli Nirmal
27.01.2010
Eigentlich gab es nur zwei italienische Komponisten des frühen 18.Jahrhunderts, deren Werke in der Rückschau dauerhaft von Bedeutung blieben. Der eine war Alessandro Scarlatti, der andere Giovanni Battista Pergolesi. Er gehörte zu den großen Melodikern seiner Generation, der wahrscheinlich noch weit größeren Ruhm erlangt hätte, wäre er nicht so jung gestorben. Für Claudio Abbado jedenfalls ist es eine Chefsache, sich einmal ausführlich mit den großen Werke des italienischen Barock-Genius zu beschäftigen. Im vergangenen Herbst bereits veröffentlichte er eine Neueinspielung des „Stabat Mater“. Teil zwei seines Pergolesi-Triptychons wendet sich nun vier weiteren geistlichen Werken des Komponisten zu
Giovanni Battista Pergolesi starb im Alter von nur 26 Jahren an Tuberkulose. Eisern hatte sich der neapolitanische Komponist aus ärmlichen Verhältnissen nach oben gearbeitet und deutliche Spuren im musikalischen Leben der Barockzeit hinterlassen. Studiert hatte Pergolesi am Conservatorio dei Poveri di Gesù Cristo in Neapel, wo er um das Jahr 1722 aufgenommen wurde, Lehrer wie Gaetano Greco und Francesco Durante hatten ihm den Weg gewiesen, den der junge Mann einfallsreich und voller Esprit weiter ging. Das Publikum kannte ihn vor allem als Opernkomponist, der mit Stücken wie „Salustia“ oder „Lo frate innamorato“ im Theater in Neapel zu hören war. Obwohl nicht alle Zeitgenossen seine melodische und musikdramaturgische Begabung als solche erkannten, galt sein Name bereits nach wenigen Jahren öffentlicher Bühnenpräsenz als Qualitätsmerkmal und sorgte dafür, dass nach seinem frühen Tod zahlreiche Werke anderer Komponisten von Verlegern in der Hoffnung auf Profit als solche Pergolesis ausgegeben wurden.
Der kreative Genius jedenfalls hinterließ Eindruck und sorgte sogar posthum für Aufsehen als Auslöser einer ästhetischen Auseinandersetzung, der als „Buffonistenstreit“ in die Musikgeschichte einging. Denn nachdem Cimarosas Intermezzo „La serva padrona“ in Paris aufgeführt worden waren, behaupteten führende Intellektuelle wie Jean-Jacques Rousseau die Überlegenheit des leichten, melodischen, an Pergolesi orientierten Stils gegenüber der französischen „tragédie lyrique“. Mindestens ebenso wichtig aber war sein Einfluss auf die geistliche Musik des italienischen Barocks. Neben dem „Stabat Mater“ hatte er mehrere Motetten, Messen und Psalmen wie beispielsweise einen bewegenden Bittgottesdienst im Anschluss an das verheerende Erdbeben in Neapel 1732 geschrieben.
Vier von diesen Werke hat Claudio Abbado nun herausgegriffen, um sie im zweiten Teil seiner Edition mit Kirchenmusik von Pergolesi auf einem Album zusammen zu fassen. Es handelt sich um „Missa S. Emidio“, das „Salve Regina in f-Moll“, das „Manca la guida al piè“ und das „Laudate pueri Dominum“, das der Dirigent mit dem Orchestra Mozart auf dem Stand der aktuellen historischen Forschung eingespielt hat. Dabei standen ihm neben dem Coro della Radiotelevisione Svizzera außerdem herausragende Solistinnen wie die Sopranistinnen Veronica Cangemi, Rachel Harnisch, die Mezzosopranistin Teresa Romano und die Altistin Sara Mingardo zur Seite. So entstand ein bewegender zeitgemäßer Blick auf Pergolesi als Komponist sakraler Musik, dessen Wirken weit über die Strahlkraft des „Stabat Mater“ hinausreicht. 

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