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Der andere Otello – Cecilia Bartoli in Rossinis Oper “Otello”

John Osborn und Cecilia Bartoli in Rossinis Oper "Otello" am Opernhaus Zürich
© Decca / Hans Jörg Michel
03.04.2014
War Rossini zu seinen Lebzeiten der meistaufgeführte Opernkomponist, so verschwanden seine Werke nach seinem Tod recht bald von den Bühnen. Mitte des 20. Jahrhunderts begann man, Rossinis teils nur noch in Klavierauszügen vorliegende Opern neu zu entdecken. Dabei änderten sich jedoch die Vorzeichen, gerade was die Häufigkeit der Aufführungen betrifft. Öfter als früher werden heute etwa die venezianischen Einakter von Rossini gespielt, nur selten dagegen sein einstiges Erfolgswerk “Otello”. Wäre den Zeitgenossen des Komponisten bei der Nennung seines Namens sicher rasch der “Otello” in den Sinn gekommen, löst es heute bei vielen Opernbesuchern Erstaunen aus, dass sich schon ein italienischer Meister vor Verdi an Shakespeares “Mohr von Venedig” versucht hat.

Es ist lohnenswert, die Oper häufiger zu spielen

Viele Regisseure schrecken heute vor der Oper zurück, weil sie besonders hohe gesangliche Herausforderungen stellt: Rossini verlangt nicht weniger als drei Koloratur-Tenöre, die sehr gegensätzliche Charaktere verkörpern müssen. Zudem stört sich mancher an den teils beträchtlichen Abweichungen des Librettos von Shakespeares Original. Wie ungemein lohnenswert es ist, diese Herausforderungen anzunehmen, zeigte die Züricher Inszenierung von Moshe Leiser und Patrice Caurier mit Cecilia Bartoli und John Osborne, deren Premiere vom Februar 2012 ab sofort als Live-Mitschnitt auf DVD/Blu-ray bei Decca erhältlich ist.
Denn den Freiheiten gegenüber der Vorlage Shakespeares verdankt sich eine – im Vergleich zu Verdis Version, die in erster Linie ein großartiges Eifersuchtsdrama ist – bemerkenswerte inhaltliche Dringlichkeit. Rossini und sein Librettist Franceso Maria Berio verliehen dem Stoff besondere Explosivität durch den Umstand, dass Desdemona, Tochter aus gutem Hause, heimlich geheiratet hat – einen schwarzen Offizier, der ehrgeizig um die Gunst des Venezianischen Dogen wirbt und mächtige Feinde hat. Dem dämonischen Jago gibt Rossini weit weniger Raum als Verdi. In den Fokus nimmt er dagegen die Konflikte zwischen Otello und Rodrigo, einem Verehrer Desdemonas, dessen Liebe keine Erwiderung findet, und zwischen Desdemona und ihrem Vater Elmiro, einem politischen Gegner Otellos. Elmiro, Rodrigo und Jago verachten Otello aufgrund seiner Hautfarbe. Deutlicher als Verdi thematisiert Rossini das Thema Rassismus.

Zuletzt in Zürich 1835

Erstmals seit 1835 wurde die Oper Anfang 2012 wieder in Zürich inszeniert. Nach der erfolgreichen Zusammenarbeit zwischen dem Regie-Duo Leiser/Caurier und Cecilia Bartoli für Rossinis “Le comte Ory” am Opernhaus Zürich wandte sich das Gespann mit “Otello” diesmal einer opera seria des Komponisten zu. “Nun, da es um eine tragische Rolle geht, kann man bei Cecilia Bartoli ein ganzes Universum entdecken, das man so nicht von ihr kennt”, erklärt Moshe Leiser. Patrice Caurier ergänzt: “Die Desdemona ist bei Rossini, verglichen mit der Figur in der Verdi-Oper, kämpferischer. Bei Verdi ist sie ganz und gar Opfer.” Cecilia Bartoli faszinierte stimmlich durch ihre ungemein fein nuancierte Koloraturkunst und die scheinbare Mühelosigkeit, mit der sie die leuchtenden Höhen dieser Sopranrolle nahm. Als Darstellerin begeisterte die Primadonna mit großer dramatischer Einfühlungsgabe in eine Frauenfigur, der Leiser/Caurier starke und durchaus moderne Zügen verliehen haben.

Glanzvolle Leistungen von Solisten und Orchester bei der Premiere

Die vom Publikum umjubelte Premiere sammelte viel Lob bei der Kritik ein. Eine geglückte Besetzung der drei Tenöre konstatierte die Neue Züricher Zeitung: “John Osborn bringt als Titelheld eine leicht verschleierte, deutlich dunklere Stimme ein als seine zwei Kollegen, und das schärfere Timbre Edgardo Rochas passt zum perfiden Iago. Die leuchtkräftigsten Farben, die mühelosesten Spitzentöne und die brillantesten Koloraturen steuert Javier Camarena als Otellos Rivale Rodrigo bei.” Der Bartoli und dem Ensemble stand wie schon in "Le comte Ory” das herausragende Orchestra La Scintilla aus Zürich zur Seite. “Die Originalklanggruppe warf sich in dieses selten gehörte Opus wie in ein Meisterwerk, das die größte Hingabe verdient. Dirigent Muhai Tang erwies sich als Offenbarung, entlockte er seinen Instrumentalisten doch ein üppiges und dramatisch geprägtes Spiel”, urteilte Opera Today.

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