Albrecht Mayer | News | Romantik liegt im Auge des Betrachters - Albrecht Mayers neues Album “Schilflieder”

Romantik liegt im Auge des Betrachters – Albrecht Mayers neues Album “Schilflieder”

Albrecht Mayer
19.01.2012
Für Albrecht Mayer ist das Zutagefördern verborgener Schätze eine zutiefst romantische Erfahrung. So wie einst Felix Mendelssohn 1829 mit seiner Aufführung der Matthäus-Passion der Wiederentdeckung Johann Sebastian Bachs den Weg ebnete, dessen Werk seinerzeit nur noch Kennern vertraut gewesen war, bringt der Solo-Oboist der Berliner Philharmoniker auf seinem neuen Album “Schilflieder” und während der anstehenden Konzerttournee eine Reihe von romantischen Komponisten wieder ins Gespräch, die heute nahezu unbekannt sind. Völlig zu Unrecht, wie Mayer findet. “Man spricht immer von den ‘Kleinmeistern’, ein Begriff, den ich einfach hasse. Kleinmeister bedeutet nur, dass wir diese Komponisten nicht mehr kennen. Leute wie Paul Pierné, Carlo Yvon, Herzogenberg oder Klughardt sind heute selbst professionellen Musikern kein Begriff. Sie haben aber herrliche Musik komponiert.” Und so befindet sich in der Auswahl der Komponisten, deren Solo-Werke für Oboe und Klavier bzw. kleines Kammerensemble Albrecht Mayer für “Schilflieder” ausgewählt hat, nur ein “Großmeister”, Robert Schumann, dessen Name hier gleichsam die Qualität der Werke seiner Mitstreiter verbürgt – als primus inter parem.

Dass sich auf diesem Album eine Komposition Schumanns befindet, ist aber auch ein echter Glücksfall. Denn die Drei Romanzen, op. 94 sind sein einziger Beitrag zum Solo-Repertoire für die Oboe. “Ich finde, dass wir mit den drei Romanzen ein Riesenglück haben”, kommentiert Albrecht Mayer. “Es sind drei wunderbare Aphorismen, Miniaturen ohne Text, zugleich sehr liedhaft. Man hört ihnen an, dass Schumann ein phänomenaler Liedkomponist war. Im Grunde genommen sind es Lieder ohne Worte.” Und ähnlich lässt sich auch das titelgebende Werk des Albums charakterisieren: die “Schilflieder”, 1872 von August Klughardt für Oboe, Viola und Klavier vertont. Als Vorlage dienten ihm die fünf Naturgedichte aus der Feder des Schriftstellers und Lyrikers Nikolaus von Lehnau, dessen melancholischer Stil viele romantische Komponisten zu Liedkompositionen angeregt hat. “Wenn auf irgendein Stück der Begriff Romantik zutrifft, dann gilt das für Klughardts Schilflieder, die zum Besten gehören, was je für Oboe komponiert wurde”, eklärt Mayer, der es gemeinsam mit Tabea Zimmermann (Viola) und Markus Becker (Klavier) aufgenommen hat, begeistert. “Man hört das Rascheln im Schilf, das Quaken der Frösche, den Gesang der Amsel, typisch romantische Versatzstücke.”

Von einem weiteren Zeitgenossen Klughardts und des späten Robert Schumann stammt das 1889 komponierte viersätzige Trio für Oboe, Horn und Klavier, mit dem der erste Teil der CD beschlossen wird, der den – wenn man so will – authentischen Romantikern vorbehalten ist. Dem Komponisten Heinrich von Herzogenberg ist es darin auf meisterhafte Art gelungen, die seltene Instrumentenkombination zu einem ebenso intimen wie klangschönen Dialog anzuregen und Albrecht Mayers Mitstreitern, der Hornistin Marie-Luise Neunecker und Markus Becker am Klavier, Gelegenheit zu geben, ihr ganzes Können unter Beweis zu stellen. Im zweiten Teil des Albums sind mit Hans Steinmetz' “Liebesruf eines Faun” für Englischhorn und Klavier und Julius Weismanns Variationen für Oboe und Klavier die Kompositionen zweier Nachgeborener vertreten. Auf die Frage nach ihrer Bedeutung für die Musik der Romantik reagiert Albrecht Mayer mit einer Gegenfrage: “Muss romantische Musik unbedingt aus der romantischen Epoche stammen? An Brahms nörgelten die Leute auch schon zu seinen Lebzeiten herum: So könne man nicht mehr komponieren, das sei ein alter Hut und ähnliches mehr. Ich sehe das ganz anders. Mich haben schon immer Musiker interessiert, die den Mut hatten, mit den Stilrelikten vergangener Epochen zu arbeiten. Wenn dabei jemand seinen eigenen Stil findet, warum muss er sich nach anderen richten? In der Mode sind wir viel großzügiger. Da stört es niemanden, dass alles schon mal da war und irgendwann wiederkommt.” Was letztlich zählt, ist nicht die Begriffsabgrenzung der Wissenschaft, sondern die Aufrichtigkeit der Empfindung. Recht hat der Mann, befinden wir!

Ab 22.01.2012 begibt sich Albrecht Mayer mit “Schilflieder” auf Deutschlandtournee. Auf KlassikAkzente finden Sie alle Termine im Überblick.
Mehr von Albrecht Mayer