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ECM 40 Jahre - 1997
New Series macht Geschichte mit der Veröffentlichung eines kompletten Jean-Luc-Godard-Films – „Nouvelle Vague“ – in Audioformat (Musik, Geräusche, Dialog – minus Bilder) und mit einem Begleittext der blinden Godard-Enthusiastin Claire Bartoli. „Nouvelle Vague“ signalisiert auch den Beginn einer kreativen Allianz zwischen Godard und Manfred Eicher, der fortan an den Soundtracks fast aller Godard-Filme beteiligt ist.
„The New York Requiem“ auf Meredith Monks „Volcano Songs“ ist den Opfern der AIDS-Epidemie gewidmet.
Jan Garbarek ist auf Kanchelis „Caris Mere“ ebenso vertreten wie Kim Kashkashian, Sopranistin Maacha Deubner und Klarinettist Eduard Brunner.
Michelle Makarskis Soloalbum „Caoine“ vereint Violinwerke von Bach und Biber bis Rochberg und Hartke.
György Kurtág spielt seine „Játékok“ (Spiele) – Klavierminiaturen von Haiku-ähnlicher Intensität – selbst ein, zum Teil vierhändig mit seiner Frau Márta.
Das Münchner Rosamunde Quartett debütiert auf New Series mit Musik von Webern, Schostakowitsch und Burian.
Das langjährige Duo Kashkashian/ Levin entdeckt Tiefe und Melancholie in Brahms’ Sonaten für Bratsche und Klavier. Die Aufnahme gewinnt einen Edison-Preis.
Kenny Wheelers schlagzeugloses „Angel Song“ mit Lee Konitz, Bill Frisell und Dave Holland avanciert rasch zum Jazzklassiker.
Nils Petter Molvaers „Khmer“ ist das Werk eines Trompeters, der den Jazz hinter sich lässt und seine Solos mit Hip-hop- und Funk-Beats unterlegt.
Ralph Towners Soloalbum „Ana“, das erste in fast zwei Jahrzehnten, erntet viel Kritikerlob.
Evan Parkers Electro-Acoustic Ensemble verwebt auf „Toward The Margins“ Improvisation und Echtzeit-Klangverarbeitung zu einer neuen Musik.
ECM-Newcomer Marilyn Crispell spielt Annette Peacocks lyrisch-freie Balladen auf „Nothing Ever Was, Anyway“.
Auf „Litania“ widmet sich Tomasz Stanko der Filmmusik von Krzysztof Komeda aus den 60er Jahren, zusammen mit dem schwedischen Tenoristen Bernt Rosengren, mit dem er früher in Komedas Band spielte. Roman Polanski, in vielen Fällen Auftraggeber der Musik, steuert einen kurzen Text fürs Cover bei.
John Surmans Oratorium „Proverbs And Songs“ vertont Texte des Alten Testaments, gesungen vom Salisbury Festival Chorus und begleitet von Kirchenorgel (John Taylor) und Saxophon/Bassklarinette (Surman).
Egberto Gismontis neues Album „Meeting Point“ ist eine brasilianisch-litauische Gemeinschaftsproduktion, eingespielt in Wilna mit dem Lithuanian State Symphony Orchestra.
ECM 40 Jahre - 1984
Mit Arvo Pärts „Tabula Rasa“ wird die ECM New Series aus der Taufe gehoben. Presse und Öffentlichkeit zeigen sich berührt von der Reinheit und Schlichtheit der Pärtschen Kompositionen und den engagierten Beiträgen einer außergewöhnlichen Besetzung, darunter Keith Jarrett und Gidon Kremer auf „Fratres“ und Kremer und Tatjana Grindenko mit Alfred Schnittke (präpariertes Piano) auf dem Titelstück. Dennis Russell Davies und Saulus Sondeckis dirigieren das Württembergische Staatsorchester Stuttgart und das Litauische Kammerorchester.
„Harmonium“ präsentiert Musik von John Adams, der am Ende des Jahrzehnts als einer der großen Komponisten Amerikas gefeiert wird.
Beginn der Zusammenarbeit mit Schauspieler Bruno Ganz, der auf einer New Series-Veröffentlichung Gedichte von Hölderlin, Celan, René Char und anderen liest.
In der Abteilung „Jazz“ erscheint ein Soloalbum von Chick Corea – einige seiner „Children’s Songs“ klingen allerdings wie Bartók-Miniaturen.
David Darling und Terje Rypdal, später eine Hälfte von Ketil Bjørnstads Sea Quartet, sind auf „Eos“ erstmals gemeinsam zu hören, während Barre Phillips, auch er zeitweiliger Rypdal-Mitarbeiter, mit „Call Me When You Get There“ ein charakteristisch innovatives Solo-Bass-Album herausbringt. Phillips gastiert auch auf Alfred Harths „This Earth!“, dessen ungewöhnliche Besetzung von Paul Bley, Sängerin Maggie Nicols und Tabla-Spieler Trilok Gurtu komplettiert wird.
Michael Breckers Saxophon spielt eine tragende Rolle auf John Abercrombies „Night“ und Kenny Wheelers „Double Double You“.
Nach zehn Jahren als hoch geschätzter Sideman startet Dave Holland mit „Jumpin’ In“ eine Zweitkarriere als Bandleader – Kenny Wheeler, Julian Priester und der junge Saxophonist Steve Coleman unterstützen ihn dabei.
Pat Methenys letzte ECM-Aufnahmen sind das Bandalbum „First Circle“ und „Rejoicing“ mit Charlie Haden und Billy Higgins, der einstigen Rhythmussektion von Ornette Coleman – womit die Bühne für Methenys nächstes Projekt bereitet wäre.
Zum Jahresende schockiert der plötzliche Tod von Collin Walcott (bei einem Busunfall in Ostdeutschland) die gesamte Improvisationsszene.
ECM 40 Jahre - 1971
Garbareks „Afric Pepperbird“ wird von den Kritikern bejubelt. Down Beat schreibt: „Seit Django Reinhart ist aus Europa keine so zukunftsweisende Musik mehr gekommen wie die dieses jungen Norwegers.“ Im Sommer konstatiert der englische Melody Maker „ECM entwickelt sich zum besten Label weit und breit“ und stützt dieses Urteil auf drei Neuveröffentlichungen: Chick Coreas solo „Piano Improvisations Vol. 1“, „A.R.C.“ mit dem Trio Corea, Dave Holland und Barry Altschul und „Music from Two Basses“ von Holland und Barre Phillips – bahnbrechende Aufnahmen, auf denen wichtige Mitglieder der Label-Familie erstmals zu hören sind und die mit Coreas Soloausflug die ECM-Tradition der unbegleiteten Piano-Alben begründen.
Platten aufnehmen ist eine Sache, sie vertreiben eine andere. In Deutschland werden die LPs immer noch hauptsächlich per Post aus der Gleichmannstraße 10 in München verschickt. In den USA haben Michael Mantler und Carla Bley den Importvertrieb übernommen, womit ECM jenseits des Atlantiks eines von mehreren Dutzend kleiner Labels ist, die der New Music Distribution Service unter die Leute zu bringen versucht.
ECM 40 Jahre - 1991
Das Hilliard Ensemble unterstreicht mit seiner Einspielung von Gesualdos „Tenebrae Responsories“ seinen Ruf als Europas führendes Vokalensemble.
Im Titelstück von Gavin Bryars’ „After The Requiem“ stehen sich Bill Frisells Gitarre und die Streicher des Balanescu Quartetts gegenüber. Gewidmet hat Bryars sein bewegendes Werk dem Tontechniker Bill Cadman, der bei dem Lockerbie-Anschlag ums Leben kam.
Arvo Pärts „Miserere“ kommt mit einer langen Besetzungsliste heraus, darunter das Hilliard Ensemble, der Western Wind Chor, das Orchester der Beethovenhalle Bonn, Sopranistin Sarah Leonard und Pierre Favre an Pauken und Djembe-Trommeln.
Kim Kashkashian formiert sich mit Perkussionistin Robyn Schulkowsky zu einem neuen Duo und setzt die Zusammenarbeit mit Robert Levin auf einem Album mit Musik von Schostakowitsch, Linda Bouchard und Paul Chihara fort.
Wichtige Neuzugänge bei ECM sind der tunesische Oud-Virtuose Anouar Brahem, der auf seinem Album „Barzakh“ geschickt östliche und westliche Einflüsse ausbalanciert, und die griechische Komponistin Eleni Karaindrou, wie Brahem Traditionalistin und Internationalistin zugleich, deren „Music For Films“ vor allem dem Regisseur Theo Angelopoulos zu verdanken ist. Zu den Solisten zählt Jan Garbarek, der auch in einem spannenden (aber kurzlebigen) Trio mit Miroslav Vitous und Peter Erskine auf „Star“ zu hören ist und auf „Alpstein“ mit Paul Giger dessen alpenländische Wurzeln erforscht.
Arild Andersen widmet sich unterdessen norwegischer Volksmusik, auf seinem Album „Sagn“ mit Sängerin Kirsten Bråten Berg ebenso wie auf Masqualeros „Re-Enter“.
Hal Russells „The Finnish/Swiss Tour“, dessen Titel eine eher ungewöhnliche Reiseroute vermuten lässt , ist ein wilder Parforceritt, dessen kinetische Energie irgendwo zwischen Albert Ayler und den Keystone Kops liegt.
ECM 40 Jahre - 1987
Zum ersten Mal auf ECM New Series: Das Hilliard Ensemble, das neben Thomas Demenga, Gidon Kremer, Dennis Russell Davies und anderen auf Arvo Pärts „Arbos“ zu hören ist. Wenig später folgt ihre Interpretation von Thomas Tallis’ „Lamentations Of Jeremiah“.
Noch eine Premiere: Thomas Demenga kontrastiert Bachs Cello-Suiten mit zeitgenössischer Musik und begibt sich damit auf eine Entdeckungsreise, die erst nach fast zwei Jahrzehnten beendet ist. Die erste Etappe begleiten Kompositionen Heinz Holligers, der in den faszinierenden „Mehrklängen“ selbst Oboe spielt.
Willkommene Rückkehr eines musikalischen Querdenkers: Auf „Lumi“ stellt Edward Vesala sein neues Ensemble Sound & Fury vor.
Zakir Hussains „Making Music“ ist eine klassische Ost-West-Kollaboration. Tabla-Genie Hussain, Ghatam-Virtuose Viku Vinayakram und Hariprad Chaurasia, Meister der Bansuri-Flöte, treffen auf Jan Garbarek und John McLaughlin.
Oregon machen auf „Ecotopia“ mit Trilok Gurtu, Freund des verstorbenen Collin Walcott, als Percussionisten weiter.
Keith Jarrett veröffentlicht „Book Of Ways", ein Doppelalbum mit Improvisationen auf dem Clavichord.
Auf „Somewhere Called Home“ reduziert Norma Winstone Jazzstandards auf ihren emotionalen Kern und findet eigene Worte zu Stücken von Egberto Gismonti, Ralph Towner und Kenny Wheeler.
Jan Garbareks „All Those Born With Wings“ ist ein Soloalbum mit Overdubs – Jan spielt auch Keyboards – und Musik, die ursprünglich für Theaterproduktionen geschrieben wurde.
ECM 40 Jahre - 1983
Ein Jahr der Veränderungen. Keith Jarrett startet seine Reise in die amerikanische Jazz-Tradition mit „Standards Volume 1“, während sein früherer Bassist Charlie Haden auf „The Ballad Of The Fallen“ mit dem Liberation Music Orchestra und Arrangements von Carla Bley das Unrecht in Lateinamerika und anderswo anprangert.
Mit dem Soloalbum „Kultrum“ erweist sich der Argentinier Dino Saluzzi als meisterhafter Geschichtenerzähler, ein Borges des Bandoneons, dessen Musik intuitiv und nachdenklich, einfach und mysteriös zugleich erklingt.
Globetrotter Charlie Mariano realisiert ein Projekt mit dem indischen Karnataka College of Percussion.
Bill Frisells erstes eigenes Album „In Line“ wäre fast ein Solo, würde nicht Arild Andersen auf einigen Tracks hinzukommen.
Bassist Dave Holland, gerade von einer schweren Erkrankung genesen, spielt auf „Life Cycle“ zur Abwechslung Cello.
Die Miroslav Vitous Group verabschiedet sich mit „Journey’s End“; John Surman macht mit Sängerin Karin Krog und dem Album „Such Winters of Memory“ weiter.
Oregon bekommen endlich ihr eigenes, gleichnamiges ECM-Album, und Ralph Towner präsentiert sich auf „Blue Sun“ als Multi-Instrumentalist, der neben den üblichen sechs- und zwölfsaitigen Gitarren noch Waldhorn, Kornett, Synthesizer und Percussion spielt.
Violinist Michael Galasso, viele Jahre aus Robert Wilsons Theaterproduktionen nicht wegzudenken, bringt mit „Scenes“ ein Soloalbum, das selbst wie ein Theaterstück oder Film anmutet.
Jack DeJohnette protestiert auf „Inflation Blues“ gegen die wirtschaftliche Depression.
„Travels“, das Live-Doppelalbum der Pat Metheny Group, gewinnt einen Grammy.