Carlo Maria Giulini | Offizielle Biografie

Biografie

Carlo Maria Giulini
In einem Interview meinte Carlo Maria Giulini, Kunst sei für ihn letztlich immer geistlich, er kenne keine andere. Das hieß für ihn auch, dass er versuchte, jedem Werk soweit auf den Grund zu gehen, bis er dessen inneren Zusammenhalt erfasst hatte. In jungen Jahren bereits wurde Giulini vor diesem Hintergrund zu einem der gefragtesten, weil vehementesten Opern-Dirigenten, in der zweiten Lebenshälfte zu einem Sinfoniker, dessen Gespür für die Innensicht der Musik zu legendären Aufnahmen wie etwa jenen mit dem Los Angeles Philharmonic führte.

Carlo Maria Giulini stammte aus Süditalien. Geboren am 9. Mai 1914 in Barletta in der Provinz Bari, wuchs er jedoch in Bozen auf und studierte in Rom an der Accademia Nazionale di Santa Cecilia Bratsche und Komposition. Er begann seine musikalische Laufbahn im Graben des römischen Orchestra Augusteo und arbeitete dort in den frühen Vierzigern unter Otto Klemperer, Wilhelm Furtwängler, Richard Strauss und Bruno Walter. Zum ersten Mal selbst am Pult stand Giulini 1944, als er das Festkonzert zur Befreiung Italiens durch die Alliierten leitete. Nach dem Krieg dirigierte er zunächst für den Radiosender RAI verschiedene Ensembles, bis er 1950 die Leitung des frisch gegründeten Radiosinfonieorchesters übernahm.

Giulini erweiterte seine Kenntnisse durch Studien bei Bernadino Molinari. Wichtige Mentoren wie Victor de Sabato und Arturo Toscanini halfen ihm, seinen eigenen Stil zu ergründen. Anno 1948 dirigierte er in Bergamo seine erste Oper (“La Traviata”, Verdi), vier Jahre später debütierte er mit de Fallas “La Vida Breve” an der Mailänder Scala, die bis in die sechziger Jahre hinein zu einer seiner wichtigsten Wirkungsstätten wurde, und löste de Sabato als künstlerischer Leiter des Hauses ab. Giulini wurde eingeladen, mit Luchino Visconti in London am Covent Garden oder auch mit Franco Zeffirelli zu arbeiten. Er war an berühmten Aufführungen wie der Mailänder Traviata-Inszenierung 1954 mit Maria Callas beteiligt, reiste 1955 zum ersten Mal als Dirigent in die USA und wurde bei einer Japantournee 1960 umfassend gefeiert. Legendäre Aufnahmen entstanden wie 1959 sein “Don Giovanni” mit dem jungen Eberhard Wächter in der Titelrolle und Joan Sutherland als Donna Anna. Nachdem Giulini 1963 noch einmal an die Scala zurückkehrte, wandte er sich gegen Ende des Jahrzehnts aufgrund der von ihm verlangten künstlerischen Kompromisse von der Gattung Oper ab.

Als Sinfoniker konzentrierte sich Giulini daraufhin auf ein vergleichsweise kleines Repertoire. Schumann, Schubert, Brahms und Bruckner standen bevorzugt auf seinem Spielplan, außerdem geistliche Werke von Bach, Mozart, Beethoven, Verdi oder Fauré. Er galt als sensibler und strenger Detailarbeiter, der die Probendisziplin von Toscanini noch verfeinert hatte, um damit möglichst präzise und ergreifende Ergebnisse zu erzielen. Im Jahr 1969 ernannte ihn das Chicago Symphony Orchestra zum Ersten Gastdirigenten, 1973 übernahm er für drei Jahre die Leitung der Wiener Symphoniker und arbeitete neben den Chicagoern bevorzugt mit dem Londoner Philharmonia Orchestra. 1978 schließlich wurde er an die Spitze der Los Angeles Philharmonic engagiert und leitete das Ensemble sechs Jahre lang mit Verve und Intensität.

Im Anschluss an diese amerikanischen Jahre beschloss Giulini, sich nicht mehr fest an ein Orchester zu binden, blieb aber ein viel gefragter Gast an Pulten der Berliner Philharmoniker und des Philharmonischen Orchesters der Scala. Er dirigierte außerdem in Paris und den USA, bis er sich 1998 weitgehend aus der Musiköffentlichkeit zurückzog. Unter seiner Ägide wurden Werke von Boris Blacher, Gottfried von Einem, Ezra Ladermann oder auch Mario Zafred uraufgeführt, vor allem aber galt er als Spezialist der italienischen Oper und eines transparenten und ausgewogen verstandenen Repertoires der Klassik und Romantik. Carlo Maria Giulini starb am 14. Juni 2005 im Alter von 91 Jahren in Brescia als der letzte Maestro einer Generation, die mit Persönlichkeiten wie Herbert von Karajan, Sir George Solti, Günter Wand oder auch Sergiu Celibidache die Orchestersprache eines Jahrhunderts geprägt hat.
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