Andris Nelsons | Offizielle Biografie

Biografie

Andris Nelsons
© Marco Borggreve
Aufgrund der Covid−19-Pandemie können wir momentan keine zuverlässigen Aussagen bezüglich der jetzigen und kommenden Spielzeit machen.
»Ohne einen zündenden Funken zwischen [Dirigent und Musikern] kann auch zum Publikum kein Funke überspringen … Als Musikdirektor eines Orchesters habe ich Verantwortung. Die Musiker sind wie meine Familie. Ich muss mich um sie kümmern.«
Andris Nelsons im Interview mit Gramophone, Januar 2020
Sorgfältigste Vorbereitung und elektrisierende Orchesterleitung zeichnen den lettischen Dirigenten Andris Nelsons aus – er ist Musikdirektor des Boston Symphony Orchestra und Kapellmeister des Gewandhausorchesters Leipzig. Mit beiden Orchestern hat er 2020 seinen Vertrag verlängert: Dem BSO wird er bis zum Ende der Saison 2024–25 vorstehen und dem Gewandhausorchester Leipzig bis zum Ende der Saison 2026–27.
Seit 2011 war Nelsons regelmäßig als Gastdirigent beim Gewandhausorchester und im Februar 2018 wurde er schließlich zum 21. Gewandhauskapellmeister ernannt. Während der Festspiele zum 275. Geburtstag des Orchesters und zu seiner offiziellen Einführung in das Amt dirigierte er elf Konzerte: Er kombinierte Standardrepertoire mit drei Uraufführungen und gab dem Publikum einen Vorgeschmack auf die Energie und musikalische Vielfalt, die er seither auf diesem Posten bewiesen hat.
Nelsons’ Erfolg zeigt sich nicht nur im Lob der Kritiker und dem Beifall des Publikums, sondern auch besonders darin, wie schnell er enge, produktive Beziehungen mit erfahrenen Orchestermusikern aufbauen kann. Mit dem Boston Symphony Orchestra entstand sofort bei ihrer ersten Zusammenarbeit im März 2011 eine Verbindung, eine wechselseitige Zuneigung, die sich in den folgenden beiden Spielzeiten durch Aufführungen beim Tanglewood Festival und in der Symphony Hall in Boston festigte. Er wurde zum 15. Musikdirektor des Orchesters ernannt, seine Amtszeit begann mit der Spielzeit 2014/15.
Mit Nelsons’ Berufung als Gewandhauskapellmeister kündigte er auch eine Kooperation des Gewandhausorchesters mit dem Boston Symphony Orchestra an, die gemeinsame Kompositionsaufträge und pädagogische Initiativen sowie gemeinschaftliche und einander ergänzende Spielplangestaltung umfasst. Nelsons leitet nun den kulturellen Austausch zwischen den beiden Institutionen und unternimmt transatlantische Konzertreisen, bei denen die Musiker des BSO im Gewandhaus und ihre deutschen Kollegen in der Symphony Hall auftreten können. Die Pläne, diese besondere Partnerschaft weiter auszubauen, richten für das Jahr 2022 ein besonderes Augenmerk auf die Orchesterwerke von Richard Strauss. »Meine beiden musikalischen Familien setzen großes Vertrauen in mich als ihren Dirigenten und Kollegen, und das ist wirklich ein Geschenk, das ich sehr zu schätzen weiß … In unseren Zukunftsplänen, den gemeinsamen, aber auch den jeweils eigenen, möchten wir neue Musik und geliebte Meisterwerke erkunden sowie außergewöhnliche Tourneen und Aufnahmeprojekte auf die Beine stellen und darüber hinaus weitere pädagogische Programme konzipieren.«
In Herbst 2021 gab Nelsons eine Reihe von Konzerten sowohl mit dem Gewandhausorchester in Leipzig als auch mit dem BSO in Boston, darunter die Uraufführung und US-Premiere von Jörg Widmanns Towards Paradise (Labyrinth VI) mit dem Solisten Håkan Hardenberger in Leipzig (September) und Boston (November); Sibelius’ Violinkonzert mit Lisa Batiashvili und dem BSO (Oktober); und Gubaidulinas Offertorium mit Baiba Skride und dem Gewandhausorchester (November). Im Dezember gab er drei Konzerte in Berlin mit Hardenberger und den Berliner Philharmonikern mit Werken von Weinberg und Stravinsky.
Pläne für Anfang 2022 umfassen unter anderem Aufführungen mit Hilary Hahn und dem BSO mit Mozarts Violinkonzert Nr. 5 und der Uraufführung eines neuen Werkes von HK Gruber (Januar); anlässlich des 100. Todestages von Arthur Nikisch im Januar mehrere Konzerte in Leipzig mit dem Gewandhausorchester; und die US Premiere von Unsuk Chins Zweitem Violinkonzert „Scherben der Stille“ mit Leonidas Kavakos und dem BSO (März). Für Mai 2022 ist eine Strauss-Tournee mit seinen beiden Orchestern geplant, mit Konzerten in London, Wien, Leipzig, Hamburg und Paris.
Im Mai 2016 unterzeichnete der Dirigent einen Exklusivvertrag mit Deutsche Grammophon, der den Weg bereitete für bedeutende Projekte mit dem BSO und dem Gewandhausorchester.
Nelsons und das BSO nehmen sämtliche Symphonien von Schostakowitsch und die Oper Lady Macbeth von Mzensk auf. Das Projekt startete 2015 mit einer Liveaufnahme der Symphonie Nr. 10. Mittlerweile sind vier weitere Alben entstanden: die Symphonien Nr. 5, 8 und 9 mit der Suite aus Hamlet; die Symphonien Nr. 4 und 11; die Symphonien Nr. 6 und 7 mit der Schauspielmusik zu King Lear und der Festlichen Ouvertüre; und die Kammersymphonie zusammen mit den Symphonien Nr. 1, 14 und 15. Drei der Alben wurden bisher mit einem Grammy prämiert.
Nelsons nimmt zudem die Symphonien von Anton Bruckner mit dem Gewandhausorchester auf. Bei dem Projekt ist auf jedem Album eine der Symphonien mit einem Ausschnitt aus einer Wagneroper gekoppelt. 2017 ging es los mit der Veröffentlichung von Bruckners Symphonie Nr. 3 und der Ouvertüre zu Wagners Tannhäuser. Das zweite Album stellte das Vorspiel zu Lohengrin neben Bruckners Symphonie Nr. 4, das dritte Album die Symphonie Nr. 7 neben Siegfrieds Trauermarsch aus Götterdämmerung. Dann erschienen ein Doppelalbum mit Bruckners Symphonien Nr. 6 und 9 sowie Wagners Siegfried Idyll und dem Vorspiel zu Parsifal und ein weiteres Doppelalbum mit Bruckners Symphonien Nr. 2 und 8 und dem Vorspiel zum 1. Akt aus Wagners Die Meistersinger von Nürnberg. Für Februar 2022 ist die jüngste Veröffentlichung in diesem Zyklus geplant, ein Doppelablum mit Bruckners Symphonien Nr. 1 und 5 sowie dem Prelude und dem Liebestod aus Wagners Tristan und Isolde.
Darüber hinaus hat Nelsons – im Rahmen der Kampagne Beethoven 2020 von Deutsche Grammophon – mit den Wiener Philharmonikern sämtliche Symphonien des Komponisten aufgenommen. Auf fünf CDs und einer Blu-ray Audio Disc in TrueHD-Qualität kam der neue Zyklus im Oktober 2019 auf den Markt, im Dezember folgte ein separates Album mit der Neunten Symphonie. Anlässlich des 90. Geburtstags von Sofia Gubaidulina widmete ihr Nelsons zusammen mit dem Gewandhausorchester im Oktober 2021 ein Album mit drei Weltersteinspielungen ihrer Werke: Dialog: Ich und Du (mit Vadim Repin), The Wrath of God und The Light of the End.
Im Mai 2022 wird ein transatlantisches Richard-Strauss-Projekt veröffentlicht, eine 7-CD-Edition mit den Orchesterwerken des Komponisten, mit jeweils drei Alben des BSO und des Gewandhausorchesters und einer gemeinsamen Aufführung des Festlichen Präludiums. Als Solisten sind die Pianistin Yuja Wang und der Cellist Yo-Yo Ma mit von der Partie. Digital sind die Strauss-Werke somit weltweit erstmals im immersiven Audioformat Dolby Atmos erhältlich.
Andris Nelsons wurde als Spross einer musikalischen Familie 1978 in Riga geboren. Er hatte als Kind Klavierunterricht und machte später rasche Fortschritte als Trompeter. Schon als Teenager trat er mit dem Orchester der Lettischen Nationaloper auf und gewann Einblick in den professionellen Orchesterbetrieb. Frühe Erfahrungen als Dirigent erwarb er unter Anleitung von Mariss Jansons, der sein Lehrer und Mentor wurde. Mit 21 Jahren dirigierte Nelsons erstmals an der Lettischen Nationaloper, zwei Jahre später wurde er deren Musikdirektor. Die visionären Aufführungen von deutscher und slawischer Musik, die der junge Dirigent in Lettland und als Chefdirigent der Nordwestdeutschen Philharmonie leitete, blieben auch in Großbritannien nicht unbemerkt und führten zu seiner Berufung als Musikdirektor des City of Birmingham Symphony Orchestra (2008–15). In den Jahren an der Spitze des CBSO profilierte sich Nelsons als der viel gefragte Dirigent, der er heute ist, und seine Verdienste um die Musik in Großbritannien fanden Anerkennung mit einem Ehren-OBE, der ihm im Oktober 2018 bei einer Zeremonie in der Royal Festival Hall überreicht wurde.
12/2021